Technik
Zwölf Windenergieanlagen und ein Offshore-Umspannwerk bilden den Windpark alpha ventus in der Deutschen Bucht. Als ehemaliges „Testfeld Borkum West“ wurde der Park konzipiert, um eine Erfahrungsgrundlage für weitere Offshore-Projekte in Deutschland zu bieten. Aus diesem Grund finden sich auch technisch einige Besonderheiten, die alpha ventus ausmachen. Augenfällig: Je sechs der zwölf Windenergieanlagen sind von unterschiedlicher Bauart und stehen auf unterschiedlichen Fundamenten.
Gemeinsam ist den Anlagen eine Nennleistung von je 5 Megawatt – zum Zeitpunkt der Errichtung die höchste Leistung für Offshore-Windenergieanlagen, die am Markt zu bekommen war. Heute gibt es erste Modelle mit 6 oder gar 7 Megawatt Leistung. Dennoch werden die meisten Offshore-Windparks im Schnitt mit „kleineren“ Turbinen ab 3,5 Megawatt geplant. Letzten Endes zählt die Wirtschaftlichkeit: Ist es günstiger mehrere kleine oder weniger große Anlagen zu errichten und zu betreiben? Das kann von Standort zu Standort ganz verschieden sein.
Sechs Anlagen (Typ M5000) lieferte die Firma Adwen (vormals AREVA Wind bzw. Multibrid), sechs Anlagen (Typ 5M) kommen von Senvion (vormals REpower Systems). In den äußeren Maßen sind die Anlagen durchaus vergleichbar – das technische Innenleben weist jedoch große Unterschiede auf. Beide Anlagen begegnen auf ganz verschiedene Weise den Herausforderungen des Standortes: aggressiver Seeluft, hohen Windgeschwindigkeiten und eingeschränkter Erreichbarkeit. Und auch beim Fundament setzen die Hersteller auf verschiedene Konzepte: Die Anlagen von Adwen gründen auf Tripods (Dreibeinen), die von Senvion auf etwas leichteren, vierbeinigen Gittermasten, den sogenannten Jackets. Die bei alpha ventus eingesetzte Variante der Tripods hat sich als anfällig für Kolk erwiesen. Dieses Problem konnte für alpha ventus durch einen nachträglich aufgeschütteten Kolkschutz behoben werden.
Das Herzstück von alpha ventus bildet das Offshore-Umspannwerk – eine voll ausgestattete Transformatorplattform auf hoher See. Hier laufen alle Kabel von den Windenergieanlagen zusammen und der mit einer Spannung von 30kV eingehende Strom wird auf 110 kV hochgespannt, um die elektrischen Verluste beim Transport ans Festland gering zu halten. Das dazu verwendete Seekabel von alpha ventus wird über die Insel Norderney geführt und erreicht das Festland am Anlandungs- bzw-Einspeisepunkt Hagermarsch. Die für alpha ventus angelegte Kabeltrasse dient heute als einer der Hauptwege für den klimafreundlichen Strom von der Nordsee in das deutsche Übertragungsnetz.
Anzahl der Windenergieanlagen | 12 |
Gesamt-Nennleistung | 60 MW |
Erzielter Jahresertrag 2011 | ca. 267 Gigawattstunden (entspricht dem Jahresverbrauch von 70.000 Haushalten) |
Senvion 5M (REpower)
Rotordurchmesser | 126 m |
Nabenhöhe | ca. 92 m |
Nennleistung | 5 MW |
Drehzahl | Rotor: 6,9 – 12,1 U/min; Generator: 670 – 1170 U/min |
Einschaltwindgeschwindigkeit | 3,5 m/s (Windstärke 3) |
Nennwindgeschwindigkeit | 13 m/s (Windstärke 6) |
Ausschaltwindgeschwindigkeit | 30 m/s (Windstärke 11) |
Blattspitzengeschwindigkeit | 80 m/s bei Rotordrehzahl 12,1 U/min (ca. 288 km/h) |
Lebensdauer | 20 Jahre |
Gondelmasse ohne Rotor und Nabe | ca. 290 t |
Gondelmasse mit Rotor und Nabe | ca. 410 t |
Gewicht | Gründung: ca. 500 t; Turm: ca. 210 t |
Adwen AD 5-116 (vormalige Typbezeichnung AREVA Wind bzw. Multibrid M5000)
Rotordurchmesser | 116 m |
Nabenhöhe | 90 m |
Gesamthöhe vom Meeresgrund | ca. 178 m |
Gesamthöhe ab Wasserlinie | 148 m |
Nennleistung | 5 MW |
Drehzahl | 5,9-14,8 U/min |
Einschaltwindgeschwindigkeit | 3,5 m/s (Windstärke 3) |
Nennwindgeschwindigkeit | 12,5 m/s (Windstärke 6) |
Ausschaltwindgeschwindigkeit | 25 m/s ( Windstärke 10) |
Blattspitzengeschwindigkeit | 90 m/s (324 km/h) |
Gondelmasse ohne Rotor und Nabe | 200 t |
Gondelmasse mit Rotor & Nabe | 309 t |
Stahlmasse Tripod, Turm, Gondel | 1000 t |
Tripod | Stahlmasse 700 t; Höhe: 45 m; Länge der Piles: 35 - 45 m |
Umspannwerk
Errichtet | September 2008 |
30 Meter | Höhe Helikopterdeck |
25 Meter | Hauptdeck mit Kran, Leittechnik/ Schaltanlage/ Sternpunktbildner, Feuerlöschanlage, MS- und NS-Anlage, Notstromaggregat, MVAr-Drossel/110 kV-GIS Schaltanlage (AREVA) |
21 Meter | Kabeldeck mit Werkstatt, Geräteraum, Aufenthaltsraum, Dieseltanks, Notstromaggregat, Kabeltisch, Ölauffangwanne |
Kabel- und Hauptdeck | 110/30 kV Transformator 75 MVA (AREVA) |
Höhe Jacket | ca. 46 m |
Gewicht Jacket | ca. 650 t |
Gründungspfähle | Länge 30 m, Durchmesser 2,7 m, Gewicht 100 t pro Pfahl |
Position | N 54°00', E 6°37.40' |
Wie berechnet sich der angegebene Jahresertrag?
Der erwartete Energieertrag von alpha ventus beträgt rund 220 Gigawattstunden pro Jahr. Dieser Wert berechnet sich in der Theorie wie folgt:
Eine Windenergieanlage hat eine Nennleistung von 5 Megawatt (MW). Läuft diese eine Stunde lang mit Nennlast, erzeugt sie 5 Megawattstunden (MWh). Für 12 Anlagen ergeben sich so 60 MWh. Im Überschlag ergeben sich in einem Jahr: 60 MW x 24 Stunden X 365 Tage = 525.600 MWh oder 525,6 GWh als theoretischer Maximalwert. Nun weht allerdings der Wind auch auf hoher See nicht das ganze Jahr hindurch. Auch erreichen Windenergieanlagen erst ab einer bestimmten Windgeschwindigkeit ihre angegebene Leistung. Dazu kommt noch, dass eine Anlage auch mal eine Störung haben kann oder gewartet werden muss.
Um zu realistischen Zahlen für die Wirtschaftlichkeitsprognose zu kommen, erstellt der Betreiber deshalb noch bevor der Windpark gebaut werden kann ein so genanntes Ertragsgutachten. Dieses gibt Auskunft über den Wind am jeweiligen Standort und wie viel Energie diesem entnommen werden kann (physikalisch sind nicht mehr als rund 59 Prozent möglich). Auf dieser Basis wurde auch für alpha ventus ein erwarteter Jahresertrag berechnet, zum Beispiel als Grundlage der Wirtschaftlichkeitsrechnung. Dieser beträgt 220 GWh oder, rechnerisch anders ausgedrückt, ca. 3700 so genannte Volllaststunden: 3700x60MW = 222.000 MWh.
Im ersten vollen Betriebsjahr von alpha ventus, 2011, wurde diese Prognose mit dem Ertrag von 267 GWh um rund 15 Prozent übertroffen.
Was ist HGÜ? Verwendet alpha ventus HGÜ?
Eine Besonderheit von alpha ventus ist, dass der produzierte Strom als Drehstrom durch ein dickes Seekabel ans Festland gebracht wird. Dieses Verfahren eignet sich jedoch nur bis zu einer Seekabellänge von ca. 60 Kilometern. Bei größeren Entfernungen nehmen die Leitungsverluste so stark zu, dass sich die Übertragung nicht mehr lohnt. Aus diesem Grund werden kommende Windparks in der Deutschen Bucht ihren Strom per HGÜ – die sogenannte Hochspannungsgleichstrom-Übertragung – ans Festland transportieren. Das Verfahren ist technisch aufwändiger, hält aber die Leitungsverluste gering.
Warum werden große 5 MW-Windkraftanlagen eingesetzt? Warum von unterschiedlichen Herstellern?
Gegenüber den bisher an Land errichteten Windparks mit relativ einfachen Fundamenten erfordern die speziellen Gründungskonstruktionen zur Errichtung einer Windkraftanlage auf hoher See sehr hohe Investitionen. Je höher die Leistung der Windkraftanlage ist, desto niedriger sind die spezifischen Investitionskosten für die Gründung. Aus diesem Grund wurde alpha ventus mit den (zum Zeitpunkt der Genehmigung) größten verfügbaren Windturbinen geplant.
Der erste deutsche Offshore-Windpark wurde ursprünglich als „Testfeld“ initiiert. Deshalb kommen zwei verschiedene Turbinentypen mit unterschiedlichen Gründungstechnologien zum Einsatz:
- die 5M von Senvion (vormals REpower)
- die M5000 von Adwen (vormals AREVA Wind bzw. Multibrid, die neue Adwen-Typenbezeichnung lautet AD 5-116).
Wie hoch sind die Kosten für den Bau von alpha ventus?
Das Investitionsvolumen für die Errichtung von alpha ventus beläuft sich auf ca. 250 Millionen Euro.